Komm ein bißchen mit...

Komm ein bisschen mit nach nancy

zum französischen nationalfeiertag

Vor einer längeren Zeit habe ich mal einen Sprachkurs in Nancy besucht. An der Université 2 de Nancy trafen sich viele Ausländer verschiedener Altersstufen, die ihre Französischkenntnisse verbessern wollten. Wir wurden im Studentenheim untergebracht. Frühstück gab es dort, mittags und abends wurden wir mit Bussen in die Mensa gefahren.

 

 

Der Unterricht fand vormittags statt, man konnte sich verschiedene Kurse gemäß Niveau zusammenstellen. Wer fortgeschrittener war, konnte jeden zweiten Nachmittag Vorträge besuchen, dort wurde über allerlei referiert, wie norwegische Stabholzkirchen, das Rechtssystem Frankreichs, archäologische Ausgrabungen, Musikinstrumente und vieles mehr. Jeden zweiten Tag, am „freien“ Nachmittag, machten wir Exkursionen, bei denen wir zumeist eine Kathedrale oder ein Kloster besuchten und es endete regelmäßig mit einer Degustation in einem Weinkeller.

 

 

Es gab also genug zu lernen und zu tun. Zudem ist Nancy sehr schön. Nancy ist eine mittelgroße Stadt  in Lothringen (das auf Französisch Lorraine heißt und wer jetzt an Quiche Lorraine denkt, ist genau richtig) und die Hauptstadt des Bezirks Meurthe-et-Moselle. Die Altstadt ist geprägt von mittelalterlichen Bauten. Jüngere Stadtteile zeugen von der Renaissance und dem Spätbarock, besonders auch vom Jugendstil, der in Frankreich Art Nouveau heißt. Emil Gallé, einer der bekanntesten Künstler des Jugendstils, hat dort gewirkt und hatte dort auch Produktionsstätten. Es gibt auch ein sehr schönes Museum, in dem wirklich viele Exponate des Jugendstils zu sehen sind.

 

Das Herz von Nancy bildet die Place Stanislas. Der Platz ist groß, viereckig und gesäumt von eleganten klassizistischen Gebäuden und dem Rathaus. An jeder Ecke hat der Platz Tore oder Triumphbögen. Der Übergang in die königlichen Gärten erfolgt durch ein vergoldetes Tor mit einem Rokokobrunnen, der auch sehr viel Gold zeigt. In der Mitte steht eine Statue des Herzogs Stanislas. Es gibt ein paar kleinere Geschäfte und Cafés, die den Platz umsäumen.

Stanislas war einst König von Polen und wurde 1737 zum Herzog Lothringens. Er war ein Humanist und Menschenfreund, der sich auch städtebaulich um Nancy verdient gemacht hat. 1752 begannen er und sein Architekt mit den Bauarbeiten und das Ergebnis war und ist so grandios, dass die Place Stanislas und zwei weitere Plätze 1983 als Unesco Weltkulturerbe gewertet wurden.

 

Ich war im Juli in Nancy und habe mich dort mit drei Österreicherinnen befreundet. Irgendwie ist es ja nicht sinnvoll, aber bei Auslandsaufenthalten neige ich dann doch dazu, mir gleichsprachige Bekannte zu suchen. Es nahte der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag, der überall in Frankreich mit großen Feiern begangen wird. In Paris wird dann alles aufgefahren, was die Luftwaffe aufzubieten hat und es ist ein durchaus martialisch anzusehendes Spektakel.

 

 

Wir waren erst auf einem der umliegenden Plätze und tranken eine Kleinigkeit, dann wurde es dunkler und wir ließen uns von der Masse mitziehen auf die Place Stanislas. Es war dort sehr gut gefüllt. Vom Rathausbalkon hinunter wurden Reden gehalten, Kapellen spielten, alle klatschten, natürlich durfte auch die Nationalhymne nicht fehlen. Es standen auch Soldaten in Uniform bereit und wir dachten irgendwann, das wäre es jetzt gewesen. Weit gefehlt. Als Höhepunkt kam nun die Flugshow, die vor allem mit Hubschraubern absolviert wurde. Sie kreisten über dem Platz. Der Platz ist groß, aber nicht soo groß, zudem war er gesteckt voll mit Menschen. Hubschrauber sind laut und es wurde immer lauter. Die Hubschrauber kamen näher und ich konnte es nicht glauben, aber sie schraubten sich immer tiefer und landeten zwischen den Menschen. Nach einer Weile und weiteren Reden hoben sie wieder ab. Das löste in mir Befremden aus, denn wir sind es in Deutschland nicht gewöhnt, Paraden mit militärischen Einlagen und Waffenvorführungen. Militärische Aufmärsche sind seit dem Ende der Hitler-Diktatur und der Gründung der Bundesrepublik verboten und das aus gutem Grund. In Frankreich hingegen ist das ganz normal.

 

Nachdem die Hubschrauber mit Donnergetöse verschwunden waren, strömten etliche Menschen dem Rathaus entgegen, die meisten blieben aber draußen auf dem Platz. Die Österreicherinnen schlugen vor, ebenfalls ins Rathaus zu gehen. Leichte Skrupel wischten wir beiseite. Freundlich grüßend traten wir ein und schritten die große Treppe in das erste Obergeschoß empor. Man reichte französische Häppchen, die uns sehr gut mundeten und einen wirklich schmackhaften Champagner in edlen Gläsern. Die Räume waren hell erleuchtet, man schlenderte einher und grüßte freundlich. Danach traten wir auf den Balkon und winkten den Zuschauern auf dem Platz. Mit unseren Champagnergläsern in den Händen schauten wir in den dunkler werdenden Himmel. Dann wurden wir von einem älteren Ehepaar angesprochen, der Mann war in Uniform. Woher wir denn kämen? Wir sind Deutsche und Österreicherinnen, sagten wir. Ob wir als ausländische Delegation eingeladen worden wären? Nein, entgegneten wir, die Tür war auf und da sind wir eben hineingegangen. Der ehemalige Soldat war leicht schockiert. Er meinte, man würde nur auf Einladung hineinkommen und wenn man etwas Gutes für die französische Nation bewirkt hätte, zum Beispiel gegen die Nazis gekämpft hätte und klopfte sich dabei auf seine Ordensbänder. Ich bedankte mich nicht nur artig, sondern wirklich aufrichtig, denn ich hoffe zutiefst und inständig, dass ich eine solche dunkle und grausame Zeit nie erleben muss. Das stimmte ihn gnädig und er verpfiff uns nicht. Wir konnten weiter vom Balkon winken.

 

 

Ein paar Tage waren wir dann als ausländische Delegation ins Rathaus geladen. Der Bürgermeister, oder vermutlich eher ein Stellvertreter, begrüßte uns herzlich und es gab Cracker und irgendeinen undefinierbaren Sekt. Und Hubschrauber haben sie unseretwegen auch nicht geschickt.

 

 

Die Fotos sind nicht von mir, ich hatte keine Digitalkamera damals (gab es die da schon?). Sie sind von Nancy Tourisme.

 

 

 

Bonne chance et salutations,

 

Katja